Energiewende unter Spannung: Wirtschaftsministerin Reiche präsentiert umstrittenen 10-Punkte-Plan
© Adobe StockBerlin - Das Bundeswirtschaftsministerium hat den angekündigten Monitoringbericht zur Energiewende veröffentlicht. Anknüpfend an den Bericht hat Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche zehn Schlüsselmaßnahmen vorgelegt, um die Energiewende zum Erfolg zu führen. Energie- und Wirtschaftsverbände reagieren zum Teil mit heftiger Kritik auf Reiches Vorschläge.
Der Monitoringbericht der wissenschaftlichen Institute BET und EWI bestätigt den weiterhin hohen Bedarf an Erneuerbaren Energien, Netzausbau und Digitalisierung. Bundeswirtschaftsministerin Reiche plädiert mit Blick auf die Energiewende jedoch für mehr „Planungsrealismus“ und spricht sich unter anderem für einen technologieoffenen Kapazitätsmarkt aus. Zudem setzt sie auf eine Synchronisierung von Netzausbau, erneuerbaren Energien und Flexibilitäten. Besonders im Fokus stehen die Vergütung neuer privater Solaranlagen; auch beim Ausbau von Offshore-Windkraft könnte das Tempo wieder gedrosselt werden.
Verbände wie der Chemie-Verband VCI, der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der BDEW äußern sich weitgehend positiv zu den Plänen des Wirtschaftsministeriums. Kritik kommt hingegen unter anderem vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE), dem Solarverband BSW und der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Diese richtet sich jedoch nicht gegen die eigentlichen Erkenntnisse des Monitoringberichts, sondern gegen die Interpretation, die politischen Schlussfolgerungen und den daraus abgeleiteten 10-Punkte-Plan.
Reiche: zehn wirtschafts- und wettbewerbsfreundliche Schlüsselmaßnahmen
Die von BET und EWI im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie durchgeführte Studie analysiert den Strombedarf, den Stand beim Ausbau Erneuerbarer und die Infrastrukturentwicklung.
Die Wirtschaftsministerin betont, dass die Energiewende an einem Wendepunkt stehe: „Damit sie gelingt, müssen Verlässlichkeit, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Kostentragfähigkeit des Energiesystems für unseren Wirtschaftsstandort ins Zentrum rücken.“ Energiepolitische Entscheidungen müssten stärker marktorientiert und technologieoffen getroffen werden.
Zu den zehn von Ministerin Reiche vorgeschlagenen „wirtschafts- und wettbewerbsfreundlichen Schlüsselmaßnahmen“ zählen daher unter anderem eine „ehrliche“ Bedarfsermittlung und Planungsrealismus, die Synchronisierung von Netzen, Erneuerbaren und dezentraler Flexibilität sowie eine markt- und systemdienliche Förderung von Erneuerbaren Energien. Dazu soll offensichtlich die fixe Einspeisevergütung für neue Solaranlagen abgeschafft werden. Auch beim Ausbau der Offshore-Windenergie ist Medienberichten zufolge eine Drosselung geplant.
Reiche plant zudem die Einführung eines technologieoffenen Kapazitätsmarkts, den Abbau von Subventionen sowie die Förderung von Wasserstoff und CCS/CCU als Klimaschutztechnologien. Auf der 10-Punkte-Agenda steht laut Reiche zudem auch die pragmatische Förderung des Wasserstoff-Hochlaufs sowie der Abbau von übermäßig komplexen Vorgaben.
BDEW: Monitoringbericht gibt vieles wieder, was vom BDEW vorbereitet wurde
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bewertet den Monitoringbericht als überzeugenden Ansatz. Die BDEW-Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung Kerstin Andreae begrüßt, dass zentrale Punkte wie Netzausbau, Gaskraftwerke mit H2-Perspektive und ein technologieoffener Kapazitätsmarkt aufgegriffen würden. Allerdings müsse die Umsetzung „in enger Einbeziehung der Branche“ erfolgen. Andreae betonte den hohen Ausbaubedarf bei den Erneuerbaren. Die derzeitigen Ausbauziele seien trotz niedriger angesetztem Strombedarf unverzichtbar: „Um diese Ziele zu erreichen, dürfen wir jetzt nicht im Tempo nachlassen. Es bleibt wichtige Aufgabe der Bundesregierung, die Planung und Genehmigung zu beschleunigen.“ Auch warnte sie vor einem Investitionsstau: „Ein Deutsche-Bahn-Effekt - zu spät oder zu wenig in die Infrastruktur zu investieren - darf uns nicht passieren.“
BNE kritisiert Bremsen bei Elektrifizierung und ordnungspolitischen Sündenfall bei Kapazitätsmechanismen
Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) begrüßte die positiven Aussagen des Monitorings zu Digitalisierung, Flexibilität und Marktöffnung. Standardisierte Prozesse, variable Tarife und Power Purchase Agreements (PPAs) seien wichtige Schritte für einen innovationsfreundlichen Energiemarkt. Kritisch sieht der BNE jedoch die Schlussfolgerungen des Ministeriums. In dem 10-Punkte-Plan der Ministerin fehle bei der Elektrifizierung jegliche Ambition. „Die Stromverbrauchsprognosen werden schlicht um rund 100 TWh gesenkt. Die Vorschläge der Gutachter zu der „in allen Szenarien robust steigenden Stromnachfrage“, zur dringend nötigen Elektrifizierung und zu deren effizienter Bewältigung, werden so ausgebremst statt beschleunigt“, kritisiert BNE Geschäftsführer Robert Busch. Die Folge seien gekürzte Erneuerbare-Energie-Ziele und gestoppte HGÜ-Leitungsprojekte. „Das entzieht der Industrie Planungssicherheit, erhöht den Redispatch und schwächt den Standort“, so Busch. Zudem drohten teure Fehlanreize: Der geplante Kapazitätsmarkt bevorzuge zentrale Großkraftwerke, bremse dezentrale Speicher und Flexibilitätslösungen aus und erhöhe die Kosten für Verbraucher und Industrie.
Auch im Bereich Digitalisierung widerspricht Reiche aus Sicht des BNE den Gutachtern. Während diese Wettbewerb und Gleichstellung der Messstellenbetreiber forderten, setze die Ministerin auf eine Übertragung an regulierte Netzbetreiber. „Das ist absolut innovationsschädlich und hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun“, kritisiert Busch.
VKU: Monitoringbericht und 10-Punkte-Plan setzen Maßstäbe für ganzheitliche Energiepolitik
Überwiegen positiv fallen die Reaktionen des Verbands kommunaler Unternehmen aus. „Alle Unkenrufe, dass die Energiewende nun abgewickelt werde, waren nicht nur verfrüht, sondern auch falsch. Das Gegenteil ist richtig: Die Klimaziele gelten weiter, genauso wie der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Netzausbau und die Aktivierung von dezentralen Flexibilitäten als notwendige Grundlage einer erfolgreichen Energiewende“, so VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Der Monitoringbericht zeige eindrücklich, dass eine ganzheitliche Energiepolitik mit Weitblick notwendig sei und es viel Potenzial für mehr Kosteneffizienz gebe. “Nur mit klaren marktwirtschaftlichen Signalen, einem Fokus auf Kosteneffizienz und Investitionssicherheit gelingt die Balance von Klimaschutz, Versorgungssicherheit und bezahlbaren Preisen“, so Liebing weiter.
Deutsche Umwelthilfe schlägt Alarm - Solarwirtschaft warnt vor Förderkürzungen
Deutlich kritischer äußerte sich die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner spricht von einer „fossilen Agenda“ der Ministerin. Reiche setze auf Gaslobby-Vorschläge, bremse den Ausbau der Erneuerbaren und öffne mit dem Kapazitätsmarkt die Tür für neue fossile Abhängigkeiten. Die geplante Förderung von CCS/CCU bezeichnete er als „brandgefährlich“.
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) kritisierte die im Raum stehende Streichung von Förderungen für Solardächer. Laut einer Branchenumfrage würden ohne EEG-Förderung nur noch 40 Prozent der Eigenheimbesitzer eine Anlage installieren. Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig warnte: „Vor dem Hintergrund stark steigender Stromnachfrage durch Wärmepumpen, E-Fahrzeuge und Rechenzentren müssen Erneuerbare und Speicher massiv ausgebaut werden.“ Die Gutachter selbst hätten bestätigt, dass die Photovoltaik-Ziele bis 2030 erreichbar seien - allerdings nur bei stabilen Rahmenbedingungen. „Anstelle von Einschnitten benötigen Betreiber einen verlässlichen Investitionsrahmen und weniger Marktbarrieren“, so Körnig weiter.
© IWR, 2025
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